Ding Liren

Im Zeitalter der Schachwunderkinder blickt der amtierende Weltmeister auf eine Entwicklung zurück, die als Spätzünder begann. Mit 9 Jahren hat Ding Liren Schach gelernt, mit 17 wurde er Großmeister, beides vergleichsweise spät. Aber das hat ihn nicht davon abgehalten, nach ganz oben durchzumarschieren.

Unter Beobachtern war Ding Liren lange ein Missverstandener, nachdem er in den Zirkel der internationalen Elitegroßmeister eingebrochen war. “Chinesische Mauer” haben ihn Schachfans genannt, als er von August 2017 bis November 2018 über 100 Partien ungeschlagen blieb, seinerzeit der Rekord für die längste unbesiegte Serie (die wenig später Magnus Carlsen noch toppen sollte).

Eigentlich liebt der Chinese Zweischneidiges und taktische Komplikationen, in denen er sich auf seine Rechenkraft verlassen kann. “Alte” Ding-Liren-Partien aus den frühen 2010ern gleichen oft einem anhaltenden taktischen Feuerwerk. Aber je mehr er sich der Weltspitze näherte, desto mehr sah er sich gezwungen, solider zu spielen, um Gegnern der Weltklasse keine Blößen zu offenbaren. 

Ding stellte seinen Stil um. Und musste dann eine neue Balance finden, um abseits der “chinesischen Mauer” seine alten, eigentlichen Stärken einzubringen. Wie gut das gelungen ist, zeigte der WM-Kampf 2023 gegen Ian Nepomniachtchi, der über weite Phasen einer Prügelei glich. Von Mauern war nichts zu sehen. Abwechselnd holten sich die Kontrahenten eine blutige Nase. Als Sieger des wildesten WM-Matches der schachlichen Moderne ist Ding Liren Weltmeister geworden.

“Ich bin nicht gerne berühmt”, hatte er schon vor dem Match gesagt. Komfortabel fühlt sich Ding Liren als Nachfolger Magnus Carlsens noch nicht. “Meine neue Rolle muss ich erst noch finden”, sagte er nach dem Titelgewinn – und tauchte, auch erschöpfungsbedingt, für Monate ab. Ding Liren gilt als eher privat, eher zurückgezogen.

Das Rampenlicht mag er scheuen, sportliche Herausforderungen nicht, schon gar nicht, wenn es um das von ihm geschätzte Schach960 geht. Beinahe wäre es im vergangenen Jahr zu einem Schach960-Match zwischen Ding Liren und Magnus Carlsen gekommen. Einen Ausrichter gab es, Ding bekundete in einem Interview, gerne antreten zu wollen, aber die Pläne versandeten.

Jetzt treffen die beiden aufeinander. Die erste Begegnung zwischen dem G.O.A.T und dem amtierenden Weltmeister wird bei der WEISSENHAUS Freestyle Chess G.O.A.T. Challenge gespielt.